Medizinhistorisches Museum Charité am 28. Oktober 2018

90.000 Besucher zählt das Medizinhistorische Museum der Charité jährlich. Darunter befinden sich nun auch die zehn ATBer, die sich an einem Sonntagmittag Ende Oktober auf dem traditionsreichen Gelände der Berliner Charité einfanden. Vor dem Besuch der Dauerausstellung „Dem Leben auf der Spur“ gab es eine Führung über das historische Gelände.

 

1710 als Pesthaus vor den Toren Berlins gegründet, baute König Friedrich Wilhelm I. das Haus zum Militärlazarett mit Ausbildungsstätte um und benannte es "Charité". Nachdem 1810 die Berliner Universität mit Medizinischer Fakultät gegründet wurde, entwickelte sich die Charité zu einer bedeutenden Lehr- und Forschungsstätte. Zwischen 1896 und 1917 folgte der Neubau der Charité in charakteristischem rotem Backstein. Diese Gebäude stehen heute unter Denkmalschutz. Die Charité zeichnet sich in dieser Zeit auch dadurch aus, dass sie für einzelne medizinische Bereichen eigene Kliniken gründet, etwa für die Chirurgie oder die Augenheilkunde. Das fördert

die Konzentration auf fachärztliche Expertise und führt zu Quantensprüngen in

der Medizin.

 

Die beeindruckende Forschungstätigkeit drückt sich unter anderem in der Tatsache aus, dass über die Hälfte der deutschen Nobelpreisträger für Medizin und Physiologie der Charité entstammen: Unter anderem Emil von Behring 1901 für die Entwicklung des Diphtherieserums, Robert Koch 1905 für seine Entdeckung der Erreger verschiedener Infektionskrankheiten wie Milzbrand und Cholera und Paul Ehrlich, unter anderem Begründer der Chemotherapie, 1908. Zu nennen wären noch hunderte weitere Männer und Frauen, die Medizingeschichte geschrieben haben. Stellvertretend Rudolf Virchow, Begründer der modernen Pathologie und Experte in Hygiene- und Seuchenfragen. Übrigens entstammt der heutige  Schwangerschaftstest auch dem Forschergeist der Charité.

 

Spuren haben aber auch zwei Diktaturen und der Zweite Weltkrieg auf dem Gelände hinterlassen: So findet sich beispielsweise in einem der Gebäude ein Sockel, dem die Büste fehlt. Abmontiert, weil sie einen jüdischen Gelehrten zeigte. Relikt aus der Zeit der Demütigung und Entlassung führender jüdischer Mediziner der Charité während des Nationalsozialismus. Die zweite deutsche Diktatur ist unter anderem an einem spreenahen Gebäude noch gegenwärtig: Zugemauerte Fenster und Türen erinnern daran, dass direkt davor einmal der Todesstreifen zwischen Ost- und West-Berlin verlief. Die Hörsaalruine des ehemaligen Rudolf-Virchow-Hörsaales ist schließlich Zeugnis der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg. Der Hörsaal im einstigen Pathologischen Museum, Ende des Zweiten Weltkrieges durch Fliegerbomben zerstört, wurde in den Nachkriegsjahren notdürftig wiederhergestellt, geriet dann beinahe in Vergessenheit.

 

Seit Mitte der 1990er Jahre ist die konservierte Hörsaalruine ein Ort für festliche

Ereignisse, gesellschaftliche Zusammenkünfte und wissenschaftlichen Austausch,

ein atemberaubender einzigartiger Veranstaltungsort. Einzigartig ist auch der abschließende Rundgang durch das medizinhistorische Museum: Zu bestaunen sind eine Flut an Heilgeräten aus mehreren Jahrhunderten Medizingeschichte, man sieht die Eiserne Lunge, den Augenspiegel und Geburtszangen jeglicher Art. Ein Höhepunkt unseres Besuches stellt die Präparate-Sammlung dar, die teilweise noch auf Rudolf Virchow zurückgeht und rund 10.000 pathologisch-anatomische Feucht- und Trockenpräparate umfasst, unter anderem auch 40 Präparate des Anatomen Johann Gottlieb Walter (1734–1818) – Artefakte untergegangenen Lebens. Zu sehen ist neben verschiedenen Anomalien, Magengeschwüre oder Harnblasenkrebs, unter anderem auch der Blinddarm des Reichspräsidenten der Weimarer Republik, Friedrich Ebert (SPD), an dessen Vereiterung Ebert 1925 verstarb. Wie wäre die deutsche Geschichte verlaufen, wenn dieser Wurmfortsatz, der da in einem gurkenglasgroßen Gefäß vor uns steht, dem Reichspräsidenten früher entfernt worden wäre?

Führung und Verkostung in der "Preussischen Spirituosen Manufaktur" am 26. Mai 2018

Vom Test der Sinne zum Fest der Sinne: Der OV hatte das Glück, im Wonnemonat Mai diese Erfahrung bei einer Führung durch die „Preussische Spirituosen Manufaktur“ machen zu dürfen. Ja, natürlich – auch das Gebäude der „Manufaktur“ und ein Großteil seines Interieurs mit dem Originalzustand von 1874 ist allein schon einen Besuch wert.

 

Als „Versuchs- und Lehranstalt für Spiritusfabrikation“ wurde es per preußischer Kabinettsorder beschlossen und errichtet. Ein angegliedertes Schulungsgebäude diente nicht nur zur Ausbildung des gesamtdeutschen Brenner- und Destillateursnachwuchs, sondern fungierte auch als Versuchslikörfabrik.

 

Aber die Manufaktur, die heute unter privater Leitung steht, bewahrt nicht nur die stolze Geschichte, sondern entwickelt sie unter weltweiter Kooperation weiter. 70 Prozent der wissenschaftlichen Literatur aus diesem Bereich auf der Welt kommt von hier. Von China bis USA holen sich nicht nur Brauereien und Likörhersteller ihre Anregungen und Rezepte. Auch Parfümerien und alle, die permanent auf der Suche nach dem neuen „Duft- und Geschmackskick“ sind, bedienen sich der Kreationen.

 

Grundlage von allem ist die sog. Drogenduftorgel. Dabei handelt es sich um eine alte und neue Sammlung von mehreren Hundert Duft- und Geschmacksstoffen aus Blüten, Kräutern, Wurzeln, Rinden und Samen. Der OV hat sich mittels umfangreicher Riech- und Verkostungstests von alten und neuen Kombinationen überraschen lassen. Und gleich Lehrgeld zahlen müssen: Wie wenig wir in der Lage waren, Orange, Mandarine oder sonst eigentlich sehr bekannte natürliche Aromen zu erkennen, war erschreckend. T

 

ipp unseres Destillateurmeisters: Macht es wie die Kinder! Denn Erwachsene lassen immer die Augen offen, um die „Kontrolle“ zu behalten. Kinder konzentrieren sich ganz auf die Geschmackstests, indem sie die Augen schließen. Mit Erfolg: Kinder haben eine um ein Mehrfaches bessere Trefferquote.

 

Architektur im Jüdisches Museum am 22. April 2018

Ein Museum, das die Besucher durch seine Architektur anlockt, und erst in zweiter Linie durch seine Ausstellung? Das mag etwas zugespitzt klingen, aber für das Jüdische Museum in Berlin ist es nicht ganz aus der Luft gegriffen. Und deshalb hatte sich der OV im April auch bewusst für eine Architekturführung entschieden.

 

Der zickzackförmige Bau von Daniel Libeskind zeichnet sich durch eine Titan-Zink-Fassade, ungewöhnlich geformte Fenster, viele spitze Winkel in den Wänden, geneigte Böden und grauen Sichtbeton aus. 1999 eröffnet, wurde der Bau auch mit dem Deutschen Architekturpreis gewürdigt. Drei sich kreuzende schiefe „Achsen“ machen im Inneren den Reiz des ungewöhnlichen aus. Die „Achse der Kontinuität“, führt über eine hohe Treppe zur Dauerausstellung, die einen Überblick über 1700 Jahre deutsch-jüdischer Geschichte gibt.

 

Die „Achse des Exils“ führt aus dem Gebäude hinaus in den Garten des Exils. Der Besucher fühlt sich erst fremd, dann ist der Gang durch den Garten geprägt von Unsicherheit, denn aufgrund des schiefen Bodens gerät man leicht ins Taumeln und Betonsäulen beschränken die Sicht ungemein. Die „Achse des Holocaust“ endet am Holocaust-Turm, ein dunkler, kalter, hoher Gedenkraum, in den nur durch eine Spalte in der Decke Tageslicht eindringt. Auf die meisten Menschen wirkt dieser Raum beklemmend.

 

Wer auch wissen möchte, wofür die sog. „Voids“ stehen und welche Wirkung sie erzeugen, wer den beeindruckenden Glashof und seine Symbolik oder das Gartendenkmal mit seinem Rosenhain verstehen will, der sollte bei seinem nächsten Berlin-Besuch das Museum ganz nach oben stellen.