Herbstwanderung zum Schloß Diedersdorf am 20. November 2005

Ein typischer Novembersonntag, durch den brandenburgischen Himmel jagen graue Wolkenfetzen, kalter Nebel zieht auf. Die S-Bahn rattert durch die unendlichen Weiten ihrem Ziel entgegen. Dann der Schreckensruf aller Gesetzesbrecher: "Die Fahrkarten bitte!" Überzeugt von ihrer gutbürgerlichen Anständigkeit ziehen der Vorsitzende des OV Berlin und das jüngst eingetretene Mitglied ihre Job-Tickets heraus - ihnen kann nichts passieren, die Welt ist in Ordnung. Doch dann: "Sie sind seit einer Station außerhalb des Geltungsbereiches Ihrer Fahrkarten" fällt das Fallbeil der Inquisition unbarmherzig hernieder. Andere Fahrgäste mustern die Ertappten wie Ungeziefer. Erregte Diskussionen nützen nichts - die Euros wechseln ihren Besitzer. Aber für unsere bisher aufrecht durchs Leben Gegangenen ist viel schlimmer: die Unschuld ist weg. Was wird nur werden?

Die Teilnehmer an der Herbstwanderung des OV Berlin sammelten sich langsam an der S-Bahn-Station Blankenfelde. Die Ereignisse ließen sich natürlich nicht verheimlichen. Nur vereinzelt wurde Spott geäußert, das Mitgefühl der anderen überwiegte, man fühlte sich selber in seiner Ehre getroffen. Die tiefe Niedergeschlagenheit der Schwarzfahrer wurde noch gesteigert, als bekannt wurde: Weitere Teilnehmer waren ebenfalls in dieser S-Bahn, sie waren der Schande nur entkommen, weil sie zwei Stationen vorher kontrolliert worden waren, noch eine Station innerhalb des Geltungsbereiches ihrer Karten. Fazit: Wer früh kontrolliert wird, den belohnt das Leben.

 

Dermaßen eingestimmt auf einen schönen Nachmittag machten wir uns dann doch endlich auf den Weg. Quer durch kleine Orte, durch Wiesen über Stock und Stein sollte das Ziel Schloß Diedersdorf sein. Schon bald kam die nächste Überraschung: Schon nach zwanzig Minuten Wanderung verabschiedete sich der erste Teilnehmer, weil er seine Freundin vom Flughafen abholen wollte - was alle verstanden, die seine Freundin kennen. Ungefähr neunzig Minuten An- und Abreise für zwanzig Minuten Gemeinschaftserlebnis zeugen außerdem vom Gemeinschaftsgeist des OV.

 

Ach ja, die Wanderung: Das kalte Wetter bot alles, was das Herz des wahren Wanderers höher schlagen läßt: Sonne, Regen, und Schneefall in schöner Abwechslung. Auch die Fauna ließ sich nicht lumpen: Falken und Reiher machten uns ihre Aufwartung. Doch war man froh, als Schloß Diedersdorf in Sicht kam, wartete dort auf uns doch ein schönes Restaurant mit noch besseren Speisen. Lockere Gespräche am beindruckenden Kamin mit offenem Feuer sorgten für einen schönen Ausklang des OV-Jahres.

 

 

Bei der Rückfahrt lösten dann alle die vollständigen Fahrausweise.

"Berliner Unterwelt" und Mitgliederversammlung am 06. November 2005

Die Berliner Unterwelt hat schon immer die Phantasie angeregt. Doch nicht das Verbrechertum stand im November auf der Tagesordnung, der OV Berlin hatte sich der vermeintlich harmloseren Variante gewidmet: der Berliner Stadtgeschichte aus einer ungewöhnlichen Perspektive! Bunker aus dem 2. Weltkrieg, aber auch moderne Luftschutzanlagen, Kalter Krieg und Geisterbahnhöfe waren das Informationsziel. Schnell wurden allerdings viele positive Vorurteile ausgeräumt.

 

Der Name klingt verheißungsvoll: U-Bahnhof „Gesundbrunnen“, dem angegliedert ein noch heute gebrauchter Luftschutzbunker aus dem 2. Weltkrieg als unser erstes Besichtigungsobjekt. „Wenn es ernst wird, nehmen Sie einen guten Rotwein, setzen Sie sich auf den Balkon und genießen Sie das Schauspiel“, so die ernüchternde Aussage unseres Führers vom Verein „Berliner Unterwelten e. V.“ Von Anfang an bot der Luftschutzkeller keinen Schutz vor Bomben. Größere Bomben hätten allein schon aufgrund ihres Eigengewichtes die Decke durchschlagen. Glück im Unglück: Während des 2. Weltkrieges machten die Bomber einen großen Bogen um dieses Gebiet, weil direkt nebenan eine Luftabwehrstellung existierte. Für noch nicht einmal ein Promille (30.000) der Berliner Bevölkerung (ca. 3,5 Millionen) existieren heutzutage Schutzräume. Sinn des Ganzen ist es eher, die Bevölkerung davon abzuhalten, im Gefahrenfall aus der Stadt zu flüchten und alle Straßen zu verstopfen. Nach dem Prinzip Hoffnung kann sie 23 Schutzräume in Berlin aufsuchen, nur um jedesmal zu erfahren, das schon alles belegt ist. In der Zwischenzeit können Armeee oder Rettungsdienste die freien Straßen nach Berlin nutzen.

 

Als ehemalige Grenzregion zwischen dem Ost- und dem Westteil Berlins war der Bunker auch als Ausstellungort zum „unterirdischen“ Mauerbau prädestiniert. So erfuhren wir einiges über die eigentümliche und bizarre Welt der „Geisterbahnhöfe“, wo West-U-Bahnen den Ostteil der Stadt ohne Stopp unterquerten oder mit welch ausgeklügelten Methoden die Abwasserkanäle gesichert wurden. Wie schnell damals der Mauerbau durchgeführt wurde, zeigen Photos aus der Zeit nach der Wiederöffnung einiger Grenzbahnhöfe: Damals auch als Kneipen genutzt, standen nach 40 Jahren noch ungeöffnete Bierflaschen auf der Theke.

 

Nach einem U-Bahn-Transfer zum benachbarten U-Bahnhof Pankstraße wurde eine „moderne“ Schutzanlage gezeigt. Im Notfall fahren noch zwei U-Bahnen ein, dann wird der Bahnhof mittels Stahlbetontüren abgeschottet. Diese 1977 errichtete sogenannte Mehrzweckanlage hätte im „Ernstfall“ rund 3.400 Menschen Schutz für mehrere Wochen bieten sollen. Sie ist damit die viertgrößte Zivilschutzanlage Berlins, die immer noch voll ausgestattet und funktionsfähig ist und sogar über ein unterirdisches Wasserwerk verfügt, um die Trinkwasserversorgung sicherzustellen. Zwei Wochen kann man dort maximal verbringen. Man bekommt dort eingelagerte Trainingsanzüge gestellt. Allerdings ist es nicht möglich, während dieser Zeit zu duschen und man muß abwechselnd in den Notbetten schlafen.

 

Diese Aussichten trieben uns schon nach zwei Stunden an die Oberfläche zurück. Kaffee und Kuchen im Hotel Holiday Inn waren dann doch die bessere Alternative und unsere anschließende alljährliche Mitgliederversammlung wurde zügig durchgeführt, der Mitgliedsbeitrag wieder auf 20 Euro im Jahr festgelegt, ein neues Mitglied aufgenommen und direkt zum Beauftragten für das Photowesen bestimmt - mit ausbaubarem Erfolg, wie die von ihm gemachte Aufnahme belegt.

Historische Führung durch das Olympiastadion am 19. Juni 2005

Herrliches Sonntags-Sommerwetter erwartete den OV Berlin bei der Besichtigung des Berliner Olympiastadions Mitte Juni. Es galt, ein Stück Deutschland in seiner wechselvollen Sportgeschichte und Architektur unter fachkundiger Führung zu entdecken.

 

Das Olympiastadion wurde von 1934–1936 anlässlich der Olympischen Sommerspiele 1936 mit einem Fassungsvermögen von 100.000 Zuschauern erbaut. Am selben Ort befand sich zuvor das Deutsche Stadion, das seinerseits 1913 auf dem Gelände der Rennbahn Grunewald anlässlich der für 1916 geplanten Olympischen Spiele errichtet wurde. Wegen des Ersten Weltkrieges fanden die Olympischen Spiele jedoch 1916 nicht statt.

 

Formal orientiert sich das Stadion mit seinen klaren geometrischen Grundformen an antiken Sportstätten. Es ist zur Hälfte ein Erdstadion, das heißt, nur der Oberring befindet sich über Erdniveau, weswegen die Wirkung durch die Natursteine nicht so übermächtig ausfällt, wie sich das die damaligen Machthaber vielleicht gedacht hatten. Auch die schmalen Pfeiler geben sich eindeutig als verblendete Stahlkonstruktion zu erkennen und entsprechen damit nur bedingt dem Formenkanon der nationalsozialistischen Architektur. Dies ist dem Architekten Werner March zu verdanken.

 

Im Olympiastadion hängen große Tafeln mit den Siegern von 1936, die verdeutlichen, wie sehr Sport manchmal Politik mit anderen Mitteln sein kann.

Korea gehörte 1936 zu Japan. Ein koreanischer Olympiasieger bekam deshalb als Starterland Japan hinter seinen Namen eingemeißelt. 1991 fiel dann bei einem Abgleich der Listen auf, dass hinter diesem Namen Korea stand. Recherchen ergaben, dass um 1970 ein Koreaner sich hatte einschließen lassen, Japan weg- und Korea hinzugemeißelt hatte. Was über 20 Jahre niemandem auffiel, würde auf Beschluss des Internationalen Olympischen Komitees wieder rückgängig gemacht. Heute prangt wieder Japan hinter dem Namen und nur noch die etwas hellere Betonausbesserung erinnert an diese Episode.

 

Nach dem Umbau bietet modernes Interieur alle gastronomischen Annehmlichkeiten. VIP-Logen für Hertha-Spiele können für 120000 Euro pro Saison gemietet werden. Dass Berlin noch manchmal auch im Kleinen seine Rolle als selbsternannte „Weltmetropole“ sucht, zeigte sich in den Restaurants. Die Toiletten sind zwar zweisprachig ausgewiesen. Jemand nahm aber das us-englische „restroom“ zu wörtlich und als Übersetzung prangt jetzt auch „Ruheraum“ auf den Türen.

 

Herausragende Kennzeichen des umgebauten Olympiastadions sind heute das jetzt alle Ränge umfassende Dach und eine blaue Tartanbahn. Die blaue Farbgebung als Vereinsfarbe wurde auf Wunsch von Hertha BSC umgesetzt, die auch die nicht unerheblichen Mehrkosten für diese Neuentwicklung einer deutschen Firma getragen hat. Allein die Dachkonstruktion, die nicht geschlossen ist, um weiterhin den Blick aus dem Marathontor nach draußen zu ermöglichen, hat rund 26 Millionen Euro und damit ca. 11 Prozent der Baukosten verschlungen. Nach Abschluss der Bauarbeiten fasst das Stadion 74.500 Sitzplätze. Es ist nun eine gelungene Mischung aus Alt und Neu, ein würdiger Rahmen für das WM-Endspiel 2006.