Herbstspaziergang zum Weinanbaugebiet Werderaner Wachtelberg am 09. Oktober 2011

Weinbau in Brandenburg? Klingt wie Ananasanbau am Nordpol. Aber nein, schon seit über 800 Jahren wird in der Mark Brandenburg Weinbau betrieben. Der Werderaner Wachtelberg nahe Berlin stellt die nördlichste für den Qualitätsweinanbau zugelassene Reblage der Welt dar. Die dortige Straußwirtschaft Weintienne und die wunderschöne Havellandschaft war das Ziel unseres Herbstspaziergangs an einem sonnigen Oktobersonntag.

 

Eigentlich sollten es vom Bahnhof Werder nur 35 bis 40 Minuten zu Fuß sein. Eine kurzfristige Routenänderung sorgte jedoch für zusätzliche Natur- und Gaumengenüsse. Ein "Bismarck-Turm" lag jetzt am Wegesrand. Unten pries ein Schild den "schönsten Blick Brandenburgs über die Havellandschaft". Der Absolutheitsanspruch konnte natürlich nicht verifiziert werden, aber der "Hügelsturm" sollte sich wirklich lohnen. Der Blick war wunderschön.

 

Daneben lockte eine neue Terrasse, die sich in Oktoberfest-Manier präsentierte. Auch wenn kein Oktoberfestbier mehr vorhanden war, ein "Schnelles" war trotzdem angesagt. Und weil wir fast alleine da oben die Aussicht genossen, gab es noch eine Privatführung durch die freundliche Bedienung durch den eigentlich geschlossenen Festsaal. Jüngst renoviert, vermittelt er Kaiserzeit-Flair mit gigantischen Kronleuchtern etc.. Verständlich, dass er in der Umgebung sehr beliebt ist, angefangen von Hochzeiten über Abi-Feten bis zu Karnevalssitzungen.

Doch das Hopfengebräu konnte uns nur kurzfristig von der Traube fernhalten. Später als gedacht, aber genau richtig erreichten wir die "Weintienne" inmitten der ausgedehnten Rebenfelder, um einen schönen Platz an der Sonne zu ergattern.

 

Vom Federweißer bis zum holzfassgereiften Roten, vom Schmalzbrot bis zum Zwiebelkuchen wurde im Laufe des Mittags kräftig probiert, was Küche und Bedienung so hergab. Letztere vergaß zwar so dies und das, aber darüber den Mantel des Schweigens. Wenig Schweigen herrschte dagegen bei uns. Lustige Anekdoten und überraschende Erkenntnisse, wie dass der Eine durch den Vater des Anderen gekeilt worden war, machten die Runde. Derweilen machten vier große Vögel, vermutlich Raben, auch ihre Runden über dem Weinberg. Aber nicht um sich auszutauschen, sondern um gemeinsam einen größeren Raubvogel zu jagen, der sie wohl geärgert hatte. Der zog noch vielen vergeblichen Ausweichmanövern von dannen. Leider war auch für uns nach einem schönen Tag der Abschied von Natur und Kultur gekommen - bis zum nächsten Mal.

Geführter Stadtrundgang in Potsdam durch Bundesbruder Radtke v. Cassius am 28. August 2011

 

Potsdam in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft


27 Besichtigungspunkte hatte unser Bundesbruder Jürgen Radtke v. Cassius akribisch aufgelistet und uns zu Beginn seiner Potsdamer Stadtführung Ende August in die Hände gedrückt. Und dann ging es los! Gewürzt mit seinen begeisterten, feinsinnig-ironischen, aber auch zornigen Kommentaren zu der einen oder anderen Städtebauplanung gab es über 1000 Jahre Potsdam zu entdecken. Auch ausgewiesene Potsdam-Kenner mussten im Nachhinein zugeben, dass sie sich vielen Gebäuden und Arealen wortwörtlich von einer Seite genähert hätten, die ihnen bis dato unbekannt gewesen sei. Dass dieser Tag dann auch einer der wenigen August-Tage ohne Regen und sogar zeitweisem Sonnenschein gewesen ist, versteht sich da schon fast von selbst.

 

Für die wechselhafte Stadtgeschichte und das -bild sei nur genannt die „Geburtsstätte“ von Potsdam, eine ehemalige slawische Burg mit Wallanlage, die 993 erstmalig mit Poztupimi urkundlich erwähnt wurde. Über die Bedeutung des Wortes streiten sich die Geister bis heute. Im Laufe der Jahrhunderte wurde die kriegerische Funktion des Ortes von einer religiösen abgelöst, die Heiliggeistkirche wurde dort gebaut. Leider gewann der Krieg noch mal die Oberhand und zerstörte die Kirche. Die Nutzung wechselte von der religiösen zur sozialen: Heute steht dort ein Seniorenwohnheim. Aber der Krieg konnte das Religiöse nicht ganz vernichten, die Residenz wurde in der Form der alten Kirche samt stilisiertem Turm gebaut.

 

Weitere Erkenntnisse animierten teilnehmende Historiker zu einer Neuauflage der früher einmal diskutierten sog. Kontinuitätstheorie “von Friedrich über Bismarck zu Hitler“ in „von Friedrich über Marx zu Ulbricht“. Der Bau der Stadtmauer 1722 auch um die Flucht von Soldaten zu erschweren und das Abreißen von bürgerlichen Häusern, um Platz für Repräsentationsbauten zu haben, haben zwar einen gewissen Wiedererkennungswert, werden aber vermutlich (noch) nicht ausreichen, einen neuen Historikerstreit über die Kontinuitätstheorie auszulösen. Potsdam ist weiter in Entwicklung. Der alte Stadt-Kanal ist in Teilen schon wieder hergestellt, das Stadtschloss als neuer Landtag ist in seinen Umrissen bereits zu erkennen und die Fundamente für den Wiederaufbau der alten Garnisonkirche sind in Angriff genommen.

 

Da wird natürlich eine Nachfolgeveranstaltung zwingend notwendig sein. Zumal wenn der Ausklang wieder so endet. Denn als 28. „Besichtigungspunkt“ stand die Einladung von Marlen und Jürgen Radtke in ihr Domizil in Babelsberg am Griebnitzsee auf dem Programm. Bei Kaffee oder Tee, Wein oder Bier, leckeren Häppchen oder Zigarette wurde noch bis in die Abendstunden diskutiert und gelacht.

 

Nachdenkliche Momente erzeugte der heutzutage idyllische Blick auf den schmalen See oder der anderen, der (West)Berliner Seite. Denn genau in der Mitte verlief bis vor 20 Jahren die Grenze, die dort 15 Menschen das Leben gekostet hat. Heute fahren wieder Ausflugsboote statt Grenzboote vorbei und sorgten an diesem Abend für eine ungetrübte freie Stimmung.

 

Unterwelten-Führung durch das Areal der Kindl-Brauerei in Neukölln am 28. Mai 2011

Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Bier-Brauereien die Pioniere des Untergrundes in Berlin. Doch nicht nur die zu ehren, die vor uns brauten, sondern auch die zu prüfen, die heute brauen, ist ein Anliegen des OV Berlin-Brandenburg. Das Ziel im Mai diesmal: Die Besichtigung des Areals der ehemaligen Berliner Kindl-Brauerei in Berlin Neukölln.

 

Um das im 19. Jhd. immer populärer gewordene untergärige Bier herstellen zu können, bedurfte es großer Lager und Gärkeller. Diese wurden tief in den Berliner Boden getrieben und waren seinerzeit die größten unterirdischen Bauwerke. Da im Stadtzentrum der Grundwasserspiegel sehr hoch ist, siedelten sich viele Brauereien vor den damaligen Toren der Stadt an. Hier konnte man stellenweise bis zu knapp 20 Meter tiefe Kelleranlagen errichten. Vornehmlich in den heutigen Stadtteilen Prenzlauer Berg, Kreuzberg und in Neukölln wuchsen die Brauereien wie Pilze aus dem und vor allem in den Berliner Boden. Auf dem Höhepunkt gab es 120 Berliner Brauereien, heute existiert neben vereinzelten kleinen Privatbrauereien nur noch eine große überregionale Brauerei. Als Dachgesellschaft bündelt sie Einzelmarken, die sich früher „spinnefeind“ waren und angeblich immer noch sind.

 

Nach einem Einführungs-Bildervortrag über das Brauen und die Brauereien stand als erstes das historische, denkmalgeschützte Sudhaus mit seinem imposanten Kupfersudwerk an.

Anschließend begaben wir uns – alle ausgestattet mit Taschenlampen - hinab in die Tiefen der ehemaligen Lagerkeller.

 

Wie so viele außergewöhnliche „Location“ in Berlin wurde auch der Keller einige Zeit für spontane „Events“ genutzt. Heute zeugen noch in den Gewölben und Gängen ausrangierte Sofas, leere Jägermeister- und mittlerweile verbotene Alcopopflaschen von diesen Zeiten. Doch auch Metall-Diebe nutzten Gelegenheiten; viele Rohre wurden in der Dunkelheit abgesägt. Nachdem wir den historischen Teil hinter uns gelassen hatten, wurde uns das demonstriert, wie heute Bier gebraut wird. Unter dem alten Sudhaus braut seit Oktober 2009 die Privatbrauerei „Am Rollberg“ verschiedene Bierspezialitäten.

 

Beim anschließenden gemütlichen Beisammensein, wurden diese sorgfältig geprüft. Eindeutiger Sieger war das leckere Maibock vor dem soliden Roten, während das Helle zu bitter erschien. Vielleicht hätte man weniger Hopfen nehmen sollen oder den Geschmackszusatz, den man auch vor der Nutzung des Hopfens verwendete, Rindergalle.