Kahnfahrt durch den Spreewald am 07. Dezember 2013

„Wer ist denn eigentlich auf diese Idee  gekommen?!“ – Diese Frage wurde im Laufe des Tages mit sehr unterschiedlicher Betonung mehrfach gestellt.

 

Am 07. Dezember 2013 wollten wir mit einer Kahnfahrt das Naturparadies „Spreewald“  - 100 km von Berlin entfernt - genießen, die Nebenarme der Spree befahren, uns die Flora und Fauna erklären lassen, Stille hören, Ruhe erleben. Es schien so, dass Orkan „Xaver“ uns einen Strich durch den Plan machen wollte. Er wütete bekanntlich tagelang über halb Deutschland, aber freundlicherweise beruhigte er sich einen Tag vorher, der befürchtete Anruf des Veranstalters mit der Absage der Kahnfahrt blieb aus.

Trotzdem hatte uns die Natur voll im Griff: Der Tag brachte Sonne, Wolken, Temperaturen um den Gefrierpunkt und sogar einige Schneeflocken. Dick eingepackt, mit Decken, heißem Tee und Glühwein versorgt, unterhielt uns unser „Fährmann“  mit Geschichte und Geschichten. Etwa 300 natürliche Wasserläufe, im Spreewald Fließe genannt, weitläufige Wiesen, Felder und noch gut erhaltene Bauerngehöfte bestimmen das Ortsbild der Streusiedlung Burg – unserem Ausgangspunkt. Über fünf Stunden konnten wir uns über die Entstehung des Spreewaldes, über Pflanzen, Tiere und über die Lebensweise und Mythen der hier lebenden Sorben und Wenden informieren.

Einst ersetzten die Fließe die Straßen. Der hölzerne Kahn war das wichtigste Transportmittel. Mit ihm wurde zur Arbeit aufs Feld gefahren und die Ernte eingebracht, Vieh transportiert und alles Lebensnotwendige in die Spreewaldgehöfte gestakt. Mit dem Kahn fuhren die Familien zum Gottesdienst, die Hebamme zum Gebärenden und der Postbote, wie heute noch in Lehde, zum Briefkasten.

Die Kahnfahrt durch die Streusiedlung führte vorbei an spreewaldtypischen  Holzbohlenhäusern mit reedgedeckten Dächern, an traditionellen Gasthäusern und durch den Hochwald - ein landschaftlich einzigartiges Gebiet mit majestätischen Altbäumen und von der UNESCO zum Biosphärenreservat  Zone 1, dem höchsten Schutzstatus, erklärt.  So bleibt er seiner natürlichen Dynamik überlassen und wird nicht bewirtschaftet.

Die Rückfahrt wurde nach der Einkehr in einem urigen Gasthaus besonders malerisch. Wir waren aufgewärmt und satt, es war mittlerweile dunkel geworden. Jetzt kam das offene Feuer auf dem Kahn besonders zur Geltung. Es wärmte nicht nur, sondern verbreitete eine gemütliche, aber auch geheimnisvolle Atmosphäre, zumal wir wie bei der Hinfahrt weit und breit die einzige Kahngesellschaft im dunklen Wald waren.

Die Frage „Wer ist denn eigentlich auf diese Idee  gekommen?!“, die vorher rein neugierig oder auch leicht verzweifelt angesichts der Temperaturen gestellt worden war, wurde am Ende begeistert wieder aufgeworfen. Doch vergeblich – niemand wusste es mehr, etwaige „Verdächtige“ verneinten. Die Teilnehmer danken ihr oder ihm trotzdem sehr – es war eine Klasse-Idee. 

Kunst- und Architekturführung im Reichstag am 13. Oktober 2013

Der Reichstag – unendliche Weiten! Das sind die Abenteuer des OV Berlin…. Diese einer bekannten Science-Fiktion-Serie entlehnte Einführung ist gar nicht so abwegig. Die sechs Kilometer Gänge des Reichstages können unendlich werden, wenn man sich nicht auf das Wesentliche konzentriert.  Aber das Wesentliche war diesmal nicht die Politik, sondern Kunst und Architektur, durch die sich der OV Berlin  führen ließ.

Der Kunstbeirat des Deutschen Bundestages entwickelte seit Mitte der neunziger Jahre für die künstlerische Ausgestaltung des Reichstagsgebäudes und der angrenzenden Parlamentsbauten Konzepte einer architekturbezogenen Kunst. Deutsche und internationale Künstler wurden eingeladen, Entwürfe zu erarbeiten oder Wettbewerbsbeiträge einzureichen. 111 Künstler sind zurzeit mit ihren Werken in den Bundestagsgebäuden vertreten.

Davon konnten wir in über zwei Stunden nur eine kleine Auswahl sehen, aber schon der hatte es in sich. So wird in der Haupteingangshalle der Besucher des Reichstagsgebäudes von Arbeiten von Sigmar Polke und Gerhard Richter empfangen. Beide Künstler standen vor der schwierigen Aufgabe, sich mit ihren Werken gegen jeweils 30 Meter hohe Wände zu behaupten. Gerhard Richter hat an der einen Wand der Westeingangshalle ein Farbkunstwerk von 21 Meter Höhe und drei Meter Breite in den Farben Schwarz-Rot-Gold gestaltet. Die Farben wurden auf die Rückseite großer Glastafeln aufgetragen und erinnern - nicht ohne Hintersinn - an die Farben der deutschen Bundesflagge. Aber sowohl das hochrechteckige Format als auch die spiegelnden Glasflächen (in denen sich von einem bestimmten "point de vue" aus die reale Bundesflagge vor dem Reichstagsgebäude spiegelt) machen deutlich, dass es sich nicht um die Abbildung einer Flagge handelt, sondern um ein autonomes Farbkunstwerk und der Künstler durch die Wahl und die Zusammenstellung der Farben eine den Betrachter irritierende "Wahrnehmungsfalle" aufgestellt hat. Trotz ihrer Monumentalität fehlt der Arbeit jedes Pathos. Vielmehr spiegelt die Fragilität der Glasscheiben im materiellen und im übertragenen Sinne das stets gefährdete und daher stets neu zu gestaltende und zu schützende demokratische Gemeinwesen wider – Kunst und Politik sind also doch nicht immer trennbar.

 

Der Andachtsraum ist keiner Religion gewidmet, aber er zeigt architektonische Element und künstlerische Gegenstände, die die Symbolik der christlichen, jüdischen und islamischen Religion umsetzen.

Der französische Künstler Christian Boltanski konzentriert sich in seinem Werk auf die Frage nach der Wahrnehmung von Vergangenheit. Für das Reichstagsgebäude hat er im Untergeschoss der Ostseite das "Archiv der Deutschen Abgeordneten" entworfen, eine Installation, die einen unmittelbaren Bezug zu Gegenwart und Geschichte des Gebäudes herstellt. Nahezu 5000 Kästen aus Metall sind mit den Namen der Abgeordneten beschriftet, die zwischen dem Jahre 1919 und dem Jahre 1999 demokratisch gewählt wurden. Die Installation umfasst mithin den Zeitraum zwischen der ersten Reichstagswahl der Weimarer Republik und der Wiederaufnahme des Parlamentsbetriebes im Reichstagsgebäude nach seiner Umgestaltung durch den Architekten Sir Norman Foster.

Die Rückseiten der Metallkästen zeigen pittoreske "Rostblüten" und sehen von fern wie übereinandergeschichtete Ziegel aus. Unterhalb des Osteingangs des Reichstagsgebäudes scheint daher eine Art Ziegelmauer zu stehen, die wie ein tragendes Fundament wirkt und die demokratische Tradition Deutschlands eindrucksvoll verbildlicht und würdigt. Der Gedanke der Gleichheit aller Abgeordneten kommt durch die serielle Fügung der Kästen bildkräftig zum Ausdruck: Ob ein Parlamentarier nur zwei Jahre als "Hinterbänkler" im Parlament gesessen oder die Geschicke Deutschlands maßgeblich geprägt hat – ihnen allen wird der gleiche Erinnerungsraum zuteil.

Nur zwei Bespiele, die aber bereits die große Brandbreite der Kunst in einem Gebäude veranschaulichen, in dem man der Politik nie „entkommen“ kann. Im Hintergrund des Bildes in der Osthalle ist die Parlamentarische Gesellschaft zu sehen, in dem zu diesem Zeitpunkt die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD liefen, um die Möglichkeiten von Koalitionsverhandlungen auszuloten.

 

So schloss sich der Kreis. Denn Verhandlungen können bekanntlich auch eine Form von Kunst sein.

Sammlung Boros im Hochbunker am 10. März 2013

Bewegte Vergangenheit - aktuelle Gegenwartskunst: Der Hochbunker mit der Sammlung Boros ist sicherlich einer der widersprüchlichsten Orte in Berlin.

 

Der rohe und gewaltige Bau an der Reinhardtstraße wurde 1942 errichtet, um 2000 Personen bei Luftangriffen - vor allem den Reisenden des nahen Bahnhofs Friedrichstrasse - Schutz zu bieten. Die Rote Armee nutzte ihn nach dem Krieg als Gefängnis, später lagerte das volkseigene Obst- und Gemüsekombinat der DDR hier kubanische Bananen. In der Nachwendeära sorgte die Technoszene für mächtig Kondenswasser an den Decken. Ein neues Kapitel schlug der Wuppertaler Werbefachmann Christian Boros vor 5 Jahren auf. Nach jahrelangem Umbau wurde aus den einst 120 Räumen 80 geschaffen, die zum Teil die ursprüngliche, extrem niedrige Deckenhöhe durchbrechen und jetzt eine vielfältige Kunst aufnehmen.

 

Mal gewaltig, mal beklemmend, mal witzig ist der Rundgang durch die Sammlung Boros.

 

Schwierig ist es, erst einmal hineinzukommen. Nicht nur, dass man sich zuvor im Internet anmelden muss, um einer der zwölf Glücklichen zu sein, die durch das Haus geführt werden. Sondern auch, weil einem beim Besuch allerlei künstlerische Hindernisse in den Weg gelegt werden. Gleich hinter der stählernen Eingangstür muss man nämlich aufpassen, nicht über die Baumstämme zu stolpern, die der Künstler Olafur Eliasson als Treibgut gesammelt und nun in die schmalen Gänge geschoben hat.

 

Und auch danach geht’s drunter und drüber: Rohre verlaufen kreuz und quer, hoch und tief durch die Räume und im Erdgeschoss stehen Stahlwände im Weg, die die Künstlerin Alicja Kwade postiert hat, um den Sound der daneben installierten Leuchtstoffröhren zu verstärken. So hört man hier den Klang des Lichts – und noch viel mehr. Denn Sound spielt eine große Rolle in dieser aktuellen Präsentation. Er macht den Rundgang zu einem sinnlichen, aber nicht unbedingt zu einem Wohlfühl-Erlebnis. Mal lässt das laute Ticken einer Uhr die Zeit drängend verrinnen, mal fällt eine Tür mit erschreckend lautem Knall hinter einem ins Schloss - und lässt den Besucher in der düstren Zelle zurück, die Klara Liden als morbiden Teenage Room eingerichtet hat. Mit schwarzen Möbeln, Bildern, ja sogar einem schwarz gestrichenen Laptop. Beklemmend wirkt das im fensterlosen Bunker. Etwas ratlos steht man dann vor der Popcornmaschine, die durch ihre langsame Produktion den Raum ständig füllt und verändert.

 

Mächtig beeindruckend ist auch ein aus Totholz zusammen geschraubter Baumriese, der zwischen der dritten und fünften Etage in die Höhe ragt – so als wäre er über Jahrhunderte hier gewachsen. Dieses Kunstwerk des chinesischen Regimekritikers Ai Wei Wei hat Christian Boros im Frühjahr vor zwei Jahren erworben, einen Tag bevor der chinesische Konzeptkünstler und Regimekritiker verhaftet wurde.

 

Aber es gibt auch die kleine, klassische Zeichnung zu entdecken. Filigran feine Schraffuren von Dirk Bell etwa. Und Fotos. Fantastische Blicke in den Sternenhimmel von Thomas Ruff bilden einen himmlischen Ausblick in dieser abgeschotteten Umgebung.

 

Die Außenmauern von rund 1,80 Meter Dicke erzeugen unbestimmten psychischen Druck. Natürliches Licht dringt nur dort hinein, wo Durchbrüche geschaffen wurden, wie beim Treppenhaus hin zum auf den Bunker aufgesetzten gläsernen Penthouse. Irgendwie froh ist man schon, wenn man das Gebäude deshalb wieder verlassen kann.